Montag, 19. März 2018

Österreichs ActionMan

 

Vom gepeinigten Heimkind der 60er Jahren zum Revoluzzer avanciert

Chmelir 1989 nach Gefängnisausbruch kaperte er die Gattin eines hohen Staatsbeamten und schickte sie dann mit einer Selbstanzeige und politischen Manifestation zur Polizei

Emfehlenswerte Website
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Spektakuläre Protestaktionen des Rekord-Häftling Österreichs in den 80er und Anfang der 90er Jahren. Sitzstreik auf den Dach der Gefängniskirche in Garsten 1983 und 1992 organisierte er in der Justizanstalt Stein eine tagelang andauernden Revolte. Bilder beim anklicken in Originalgröße



Aus Originalschriften und Memoiren des Häftlings Juan Carlos Chmelir,geb. Bresofsky, die bis dato nicht alle veröffentlicht wurden:

...jedenfalls hat kein anderer Häftling über Jahrzehnte lang die Härte des Gefängnisses derart zu spüren bekommen, wie ich. Jahrelange Isolationshaft und bösartigen Schikanen als Rache der Justizwache. Aber ohne diese Härte und Tortur, die mein Geist antrieb, um zu überleben, hätte ich meine Träume nie verwirklichen, ebenso nicht Geist bilden und somit auch nicht meinen heutigen Persönlichkeitsstand erreichen können. Es gehörte sozusagen zu meiner Entwicklungsphase. Ich danke Gott für meine teilweise Erfolgreiche Mission gegen Missstände und Nazi-Praktiken in den österreichischen Gefängnisse. Und möge er mir die strafbaren Handlungen verzeihen, die meiner Odyssee in Österreich kreuzten..."

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" …Es schwebte mir schon vor Augen durch irgendwelche Aktionen die breite Öffentlichkeit auf die sklavischen und tyrannischen Zuständen hinter Gittern aufmerksam zu machen, sah aber noch keine realistische Möglichkeit. Denn die Repression im Gefängnis war so immens, das ich schnell merkte, dass die meisten Häftlinge zu einen Streik oder Revolte zu viel Angst hatten und das viele der Kollaboration mit der Justizwache bevorzugten.

Mai 1983 ergab sich dann die Gelegenheit. Ich startete mit einem zweiten Häftling einen nahezu unmöglichen Fluchtversuch, der zwar scheiterte, aber ich hatte schon vorher mit der zweiten Variante spekuliert und liebäugelt, nämlich auf dem hohen Dach der Justizanstalt Garsten angrenzende Kirche zu klettern und dort eine Protestaktion zu starten und die Öffentlichkeit aufzurütteln – und so kam es auch.

Mein Gefährte und ich saßen zwischen den 31.Mai u. 1. Juni 1983 eineinhalb Tage lang am hohen Dach der Kirche, LG Steyr GZ 8a E Vr 511/83, und zogen Journalisten und TV-Teams in Scharen an, die sogar mit ihren Kameras auf die Lücken der Kirche stiegen. Das ganze wurde zu einem medialen Spektakel weit über die Österr. Grenzen hinaus, was in der Folge erstmals zu einer öffentlichen Politisierung der Angelegenheit „Strafvollzug“ führte, war dieser Begriff bis dahin in Österreich ein Tabuthema.

Erst als der seinerzeitige Bundesminister für Justiz eine Pressekonferenz genehmigte, stiegen wir vom Dach wieder herunter. Zuvor hatte ich den Justizminister über die Medien aufgefordert nach Garsten zu fahren und mit mir über die Missstände in der Anstalt zu sprechen. Der Justizminister ließ mir aber ausrichten, dass er sich von mir nicht erpressen lässt. Letztendlich gab er nach und genehmigte eine 20minütige Pressekonferenz.

Erstmals begannen Journalisten als Folge meiner spektakulären Dachaktion über die wahren Praktiken der Sklaverei und Tyrannei hinter Gittern zu berichten und die Justiz geriet im höchsten maßen in Misskredit. Alle Medien anzuführen ist unmöglich, weil es ein regelrechter Medienspektakel war, siehe in Archiven der Journalisten.

Ich wiederum geriet wieder einmal in Isolationshaft, diesmal als Staatsfeind, wie die Tageszeitung „Kurier“ vom 25.5.1986 auf Seite 14 erwähnte. Und für das Gefängnispersonal war ich natürlich eine verhasste und unsympathische Person geworden. Denn durch die Enthüllungsjournalismus, die auf die Protestaktion hin folgte, verlor das Gefängnispersonal viele Privilegien und viel an Ansehen.

Das war mein erstes Husarenstück. Mit meiner Protestaktion hatte ich mir nicht nur einen langen unerfüllten Traum verwirklicht, sondern auch einen Riesenerfolg verbucht. Über die Protestaktion wurde Weltweit und in einigen Ländern Europas sogar über die Missstände detailliert berichtet.

In Österreich war es der Beginn der Berichterstattung über den Strafvollzug und deren wahren Praktiken schlechthin.

Auch wenn die Protestaktion positive Aspekte für uns Strafgefangenen brachte, indem z.B. Misshandlungen geringer wurden, so hatte sich bezüglich der Haftbedienungen hinsichtlich Arbeitsverdient, Verpflegung und Freizeitgestaltung nichts viel geändert. Die Justizbeamten blockierten dagegen,aus Angst vor Privilegienverlust.

Für mich war daher klar, dass ich auf die nächste Gelegenheit warten musste.

Und diese Gelegenheit kam am 2.August 1989. Es gelangt mir ein Gefängnisausbruch aus der Justizanstalt Graz-Karlau. Ich geriet während der Flucht jedoch in Panik, hielt ein Auto an in das zufällig die Ehegattin eines Oberregierungsrates der steirischen Landesregierung saß. Zwei Tage später schickte ich sie dann mit einer Selbstanzeige und Protestschreiben gegen die Sklaverei und Tyrannei in dem Gefängnisse zur Polizei.

Bei meiner Festnahme dann in Klagenfurt gab ich u.a. an, „Aus dem Gefängnis ausgebrochen zu sein, um in Ausland österr. Botschaftsangehörige zu entführen, um die Sklaverei und Tyrannei im Gefängnis zu beenden“. Diese Absicht hatte ich zwar nicht, sondern wollte ich damit nur Schlagzeilen machen, um die Angelegenheit „Strafvollzug“ wiederholt medial zu politisieren, was mir auch reichlich und selbst im Club 2 des ORF gelang. Siehe z.B. auch „Steirer Krone, 20.8.1989, Seite 16-17, „Wiener Stadtzeitung“, 15.8.1989, Seite 13, und „Kurier“, 20.8.1989, Seite 5 und 17.

Das war das zweite spektakuläre Husarenstück gegen die Vollzugsbehörden und gegen das Gefängnispersonal. Es brachte den Erfolg, dass selbst im Nationalparlament eine Diskussion über den Strafvollzug in Österreich ausbrach, die eine Novellierung des Strafvollzugsgesetzes zur Folge hatte. Allerdings beinhaltete die Novellierung keine tatsächlichen Erleichterungen für uns Strafgefangenen. Die Beamtenschaft hinderte sinnvolle und humane Schritte im Strafvollzug, um ihren Privilegien nicht gänzlich zu verlieren.

Daher verfasste ich im Mai 1992 im Hochsicherheitstrakt der Justizanstalt Stein eine Tonbanddokumentation über die Missstände, ließ es der Redaktion des Nachrichtenmagazins „Profil“ von einem entlassenen Mithäftling zukommen (Redakteur Hr. Buchacher, Ausgabe 23, 1.Juni 1992, „Stein ist die Hölle – Häftlinge vor Revolte“ auf die Titelblatt und Seite 22 bis 27).

Die Angelegenheit „Strafvollzug“ wurde erneut zu ein öffentlichen Politikum, zumal wir Häftlinge in der JA Stein in der Folge eine Woche lang revoltierten (Nachrichtenmagazin „Wiener“, Septemberausgabe 1992, „Hölle Stein“„Seite 242-243, „Täglich Alles“ Zeitung, 24.Juni 1992 „Blutbad in Stein während Revolte“ und in vielen anderen Medien.

Der Sicherheit-Nationalrat musste einberufen werden, der wiederum das Bundesheer von Krems in Stiller Alarmbereitschaft versetzte, da die Bevölkerung rund herum unter anderem eine Massenflucht befürchtete.

Somit war mir das dritte und ebenfalls spektakuläre Husarenstück gelungen, und zwar mit dem bestmöglichen Erfolg, denn es wurden sofort Fernsehgeräten und anderen Forderungen stattgegeben."


Fortsetzung folgt. Günter Stelzer

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